Die umfangreiche Palette an Handaufzugskalibern der ETA fördert die tägliche Kontaktpflege mit den liebevoll tickenden Zeitmessern. |
Das Handaufzugskaliber Peseux 7001 zählt zu den Flagschiffen des schweizerischen Uhrwerkherstellers ETA. Das Bild zeigt eine Version dieses Kalibers bearbeitet für die Luxusmarke Omega. Das Spektrum an einfachen Handaufzugskalibem aus den Reihen der Ebauches-SA-Mitglieder ist nahezu unüberschaubar. Alleine die Kaliberlisten der ETA weisen 1955 rund 60 verschiedene Werkstypen auf. Die Palette reichte vom 4¼-linigen Baguettekaliber 746 (10 x 22,6 mm) über die 7¾ x 11- oder 8¾ x 12-linigen Form-Bestseller 735 A beziehungsweise 717 bis hin zum 17-linigen 1035 mit Zentralsekunde. Die A. Schild SA brachte es auf rund 45, Unitas auf rund 35, FEF (Fleurier) auf rund 20, FHF (Fontainemelon) auf gut 55 und Peseux auf knapp 30 Kaliber. Die vier letztgenannten Ebauchesfabriken fertigten aus Gründen der Tradition und der Uhrenkonvention ohnehin nur Handaufzugswerke. Auch aus der Ebauche-Fabrik, allerdings nicht so aufwendig bearbeitet: das Kaliber Peseux 7001, so wie es bei Nivrel zum Einsatz kommt. Die ungleich erfolgreichere FHF produzierte allein vom Standard-Kaliber 60 (6¾ x 8 Linien) zwischen 1946 und 1960 inklusive der Derivate mehr als 18 Millionen Stück, das gleichgroße 69-21 brachte es zwischen 1966 und 1976 auf die unglaubliche Summe von 45.833.930 Exemplaren. Vom 11½-linigen 969 liefen zwischen 1966 und 1978 mehr als 28 Millionen Stück vom Band. Zahlreiche Handaufzugskaliber mit -teilweise mehrstelligen - Millionenauflagen konnten schließlich auch AS, ETA, Peseux und Unitas vorweisen. Beispielsweise brachte es das runde, 8 ¾ linige AS 970 zwischen 1935 und 1967 sowie das ovale, 5½-linige AS 1012 zwischen 1936 und 1960 auf jeweils knapp 16 Millionen. Tempi passati! Sony'. Heute werden Handaufzugswerke ganz allgemein unter der Rubrik »liebenswerter Anachronismus« geführt und von zahlreichen Zeitgenossen eher mitleidig belächelt. Viele, die solches tun und nicht lassen können, wissen mitunter gar nicht, was ihnen auskommt. Ihnen geht die tägliche, von zeitbewahrender Fürsorge geprägte, Kontaktaufnahme ebenso verloren wie das Erspüren des Räderwerks über die Krone. Um so erfreulicher ist die Tatsache zu werten, daß die ETA in ihrem »Mecaline«-Katalog noch vier und auf dem »Spezialitäten«-Sektor noch ein Handaufzugskaliber führt. Gemessen an der einstigen Vielfalt ist das sicherlich eine »quantité negligéable«, aber immerhin. Schließlich definiert sich das Angebot auch durch die Nachfrage. Die kostspielige Entwicklung neuer Werke rentiert sich nur, wenn sich hernach eine hinreichende Stückzahl produzieren und verkaufen läßt. |
On the Top: Peseux 7001 Unter allen Mitgliedsfirmen des ehemaligen Ebauches SA war die »Peseux« eine der jüngsten. Der Name hat nichts mit dem Firmengründer, sondern vielmehr mit dem Ort der Firmengründung zu tun. Man schrieb das Jahr 1923, als Charles Berner in der Ortschaft Peseux (Kanton Neuchatel) eine kleine Ebauches-Fabrikation ins Leben rief. Erklärtes Ziel war die Herstellung von Rohwerken mit Ankerhemmung, und zwar ganz speziell für den neuen Stern am Uhrenhimmel, die Armbanduhr. Ein Jahr später beschäftigte Berner bereits 20 Mitarbeiter, die mit Hilfe moderner Maschinen insgesamt 6.240 Rohwerke fertigten. Ende 1933 konnte die Firmenchronik bereits eine Jahresproduktion von 215.980 Ebauches ausweisen. Und das bei einer Zahl von 76 Beschäftigten. In jenem Jahr begab sich Charles Berner mit seiner »Fabrique d'ebauches de Peseux S.A.« unter das Dach der Ebauches S.A., ohne dabei jedoch die Unternehmensleitung abzugeben. 1934 brachte Peseux eines seiner ersten absatzstarken Handaufzugskaliber auf den Markt, das 5 ¼-linige Formkaliber 120 für Damenarmbanduhren. Hiervon wurden bis 1970 knapp eine Million Exemplare gefertigt. Als erfolgreichstes Kaliber ist das 10 ½-linige Peseux 320 in die Firmengeschichte eingegangen. Zu den mit Abstand schönsten und besten Werken des Hauses zählt das 1947 lancierte 30-Millimeter-Kaliber Peseux 260. Es war speziell für Chronometerzwecke konstruiert worden und wies eine Bauhöhe von fünf Millimetern auf. Dieses Uhrwerk wurde von renommierten Marken, darunter beispielsweise Ulysse Nardin verwendet. Bei der Produktionseinstellung im Jahre 1970 zeigte das Zählwerk nicht mehr als 3.302 Stück. 1985, als sich die Ebauches SA und damit auch Peseux bereits unter dem Dach der ETA SA befanden, wurde die Fertigung des letzten eigenen Kalibers aufgegeben. Dabei handelte es sich um das 11½-linige, 2,5 mm hohe Kaliber 7001, welches seit 1971 in einer Auflage von knapp 2,35 Millionen Exemplaren produziert worden war. Am Ende war das 7001 mit dem Peseux-Finale allerdings noch lange nicht. Als ETA 7001 markiert es heute das Spitzenprodukt in den Reihen der wenigen Handaufzugskaliber des Grenchener Rohwerkekonzerns. Dank kleiner Sekunde bei der »6« bietet es den inzwischen bei Retro-Modellen so begehrten »nostalgischen Touch« und eine gute Basis für technische Zusatzfunktionen. Nicht zuletzt deshalb verwenden viele ETAblisseure das mit 21.6000 A/h vergleichsweise langsam oszillierende 7001 für mehr oder minder viele Produkte. Zu ihnen zählen unter anderem Baume & Mercier, Blancpain (Kaliber 7001, modifiziert), Bucherer, Chronoswiss, Eberhard & Co., Enigma, Louis Erard, Maurice Lacroix, Milus, M & M, Nomos, Omega (Kaliber 651, modifiziert), Paul Picot, Tiffany & Co. und Tissot. |
7001 mit Aufbau Die Suche nach Möglichkeiten, den Komfort bei Handaufzugsuhren zu steigern, führte bereits im vorigen Jahrhundert zu Taschenuhren mit sogenanntem 8-Tage-Werk. Nach der Jahrhundertwende lag es durchaus nahe, diese Technik auch auf Armbanduhren zu übertragen. Die ersten Exemplare, »Hebdomas« genannt, besaßen ein riesiges Federhaus, dessen Durchmesser dem des Uhrwerks entsprach. Spätere Werkskaliber, davon etliche in Tonneauform, speicherten die Energie in zwei kleineren Federhäusern. Daß sich diese interessante Technologie letztlich nicht durchsetzen konnte, hing primär mit der zunehmenden Verbreitung des automatischen Aufzugs zusammen. Der Rotor übernahm die Rolle des Aufziehenden und hielt den Spannungszustand der Zugfeder relativ konstant. Was wollten Frau oder Mann mehr? Eigentlich nichts. Eine stärkere oder längere Feder alleine bietet noch keine Gewähr für eine größere Gang-reserve. Neben konstruktiven Aspekten des Räderwerks spielen auch dynamische Faktoren wie zum Beispiel Reibungsverluste, Zugbeanspruchung diverser Bauteile und nicht zuletzt die Spannungskonstanz der Uhrfeder eine nicht zu unterschätzende Rolle. 1997 hat sich Eberhard & Co. des beinahe vergessen geglaubten Themas angenommen. Beim Kaliber 896-8J kommt eine modulare, auf dem Kaliber ETA 7001 basierende Bauweise zur Anwendung. Die hohe Gangreserve resultiert hierbei aus zwei kraftschlüssig übereinander angeordneten Zugfedern in zwei Federhäusern. Unter dem Zifferblatt befindet sich das Modul mit einer 125 Zentimeter langen Feder. Hinzu addieren sich die 30 Zentimeter der normalen Feder des 7001, die normalerweise für 42 Stunden reicht. Insgesamt ergibt sich also eine Federlänge von 155 Zentimetern. Beim Aufzug der oberen Feder wird die untere »Sekundärfeder« kraftschlüssig mitgeschleppt und somit gleichfalls gespannt. Per Saldo erbringt dieses patentierte System eine Steigerung des Energiepotentials des 7001, ohne dessen Zapfen und Zähne einer verstärkten Druckbelastung auszusetzen. Die Soprod SA bietet das 7001 in sorgfältig finissierter Ausführung, 21 Steine, und 4-Lagen-Regulierung (0 bis 20 Sekunden/Tag) mit Gangreserveanzeige bei der »12« an. Der unter dem Zifferblatt montierte Mechanismus erfordert zusätzliche 1 ,5 Millimeter, so daß sich eine Gesamthöhe von 4,00 Millimetern ergibt. Derart »aufgepeppt«, springt der Preis für das 7001 von knapp 50 auf über 200 Mark. 1997 brachte Eberhard & Co. das Handaufzugskaliber 896-8J auf den Markt. Auf der Basis des Peseux 7001 kommen zwei Federn zum Einsatz, die für die respektable Aufzugsleistung von 8 Tagen verantwortlich sind.
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Mecaline
Die Soprod SA bietet die Kaliber 2801-1 oder 2804- mit Chronographen-Modul von Dubois-Dépraz an. Die Kaliber 2660, 2801, 2804, 6497, 6498 und 7001 sind ferner in mehr oder minder sorgfältig finissierter, skelettierter und - auf Wunsch - auch gravierter Ausführung verfügbar. |
Ursprung Unitas Die Kaliber 6497 und 6498 stammen ursprünglich vom Rohwerke-Hersteller Unitas. Dieses Unternehmen wurde 1898 von Auguste Reymond in Tramelan (Kanton Bern) als kleine Werkstatt zur Fertigstellung von Uhren ins Leben gerufen. Es war in einer Wohnung untergebracht und firmierte unter dem Namen »Fabrique d'horlogerie Auguste Reymond«. Das BMW /Bezel Manuasl Winder) von Gianni Bulgari und seiner Firma Engimaq SA ist mit einer Gangreserve-Anzeige ausgestattet, die deutlich ans nächste Aufziehen erinnert.
Unter der Bezeichnung 6497-2 und 6498-2 fertigen die Grenchener die beiden Taschenuhr-Kaliber auch in der Ausführung »elabore'« mit »Incabloc«-Stoßsicherung und Basisdekor. Dabei verdoppelt sich der Abgabepreis gegenüber der »normalisé«-Version. Bei all dem Gesagten gilt einmal mehr, was bereits im Zusammenhang mit den Automatikwerken zu lesen war: Der Feinbearbeitungsstandard und die Qualität des Assortiment bestimmen letztendlich den Preis des Uhrwerks. Zur Verdoppelung oder Verdreifachung des ETA-Basispreises braucht es wirklich nicht sehr viel. |
Quelle: Text und Fotos mit freundlicher Genehmigung von Gisbert L. Brunner
Artikel von Gisbert L. Brunner aus dem Branchenmagazin Uhren Juwelen Schmuck, Januar 1998:
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